Über Besitz und Interessen
an der gebauten Stadt im Werk von
Michael Meier & Christoph Franz
Die sozialräumliche, gesellschaftliche und architektonische Stadt ist in zahlreichen Arbeiten des Künstlerduos Michael Meier & Christoph Franz Ausgangslage und wird zunehmend auch zum Kontext ihrer Interventionen. Dabei legen die beiden einen Fokus auf Bau- und Überbauungsvorhaben und untersuchen dabei in einem aufwändigen Recherchenprozess die Umstände und Interessensverbindungen, die dem Unterfangen zugrunde liegen. Oftmals durchlebt Material eine Transformation, die in der manifesten, ortsbezogenen Arbeit mündet. Versinnbildlicht bedingt das aufgeladene Material zusätzliches Wissen zu dessen Entschlüsselung und Verständnis.
Die zum Werkobjekt erscheinenden Publikationen haben nicht eine zusätzliche, deskriptive Funktion, sondern ergänzen und komplettieren die Ausführungen die Arbeit zum eigentlichen Werk. Die Archivbilder und Dokumente, Pläne und Studien sowie Interviews und Aufsätze, welche nicht die Arbeit erläutern, sondern die behandelten Thematiken aus vielen Perspektiven beleuchten, sind integraler Bestandteil des Werks und verdienen zum tieferen Verständnis der Arbeit unsere Aufmerksamkeit.
Die Anmerkung, dass das Künstlerbuch Der Durchschnitt als Norm (2018), konzipiert und herausgegeben von Michael Meier & Christoph Franz, an ihre gleichnamige künstlerische Arbeit anschliesse, leitet ebendiese Publikation ein. (1) Dieser Satz, gleichsam verwirrend wie stellvertretend für die Arbeit des Künstlerduos, stellt die ontologische Frage nach dem künstlerischen Werk und liefert gleichzeitig Hinweise auf ihre Arbeitsweise. Die knapp zwei Jahre vor dem Buch entstandene künstlerische Arbeit, auf die verwiesen wird, misst kompakte 285 x 17 x 75 cm, besteht aus Stahl und RC-Beton und wiegt exakt 1100 Kilogramm. Eine für ihren Zweck wesentliche Angabe, da es sich um ein normiertes Gegengewicht handelt, das in Baukräne eingesetzt wird. Die Brisanz des Objekts lässt sich nicht erkennen, sondern ist vielmehr als RC-Kürzel eingeschrieben, beziehungsweise als Material einbetoniert. Das benutzte Recyclingmaterial entstammt dem Abbruchmaterial eines im Westen Zürichs gelegenen Nagelhauses (2) mit dem programmatischen Namen Resistance, das für lange Zeit als materialisierter Widerstand der politisch abgesegneten, städtebaulichen Transformation trotzte. Der Abbruch versinnbildlichte das Aufgeben der noch übrig gebliebenen einst charakteristischen Architektur und die Niederlage eines alternativen, nachhaltigen Verständnisses einer Gebietsentwicklung im ehemaligen Gebiet der Schwerindustrie und zeigt die Dominanz der ohnehin grassierenden finanzkräftigen Bau- und Immobilienindustrie. Das Einsetzen des Gegengewichts – als stummer Zeuge vergangener revolutionärer Ideen – in einen Baukran, der nunmehr von Baustelle zu Baustelle unterwegs ist, repräsentiert die Vereinnahmung des Protests, der Zwischennutzung, die seit längerem als Wasserträger der Aufwertungspolitik in Kritik steht. Das Betonelement Der Durchschnitt als Norm ist ein subversiver, zynischer Kommentar auf die neoliberalen Interessen der Zürcher Stadtplanung und funktioniert an sich bestens als autonomes Werk, das im städtischen Raum zum eigenständigen Akteur wird. Im gleichnamigen Buch geben die Künstler unterschiedlich Involvierten und Betroffenen in Interviews, Aufsätzen und Dialogen das Wort, um aus ihrer Perspektive die Aufwertung, die mit der Gebietsplanung einherging, zu beschreiben. Die Stadtplanerin und Gebietsmanagerin verteidigt gegenüber einem kritischen Künstler/Architekten die eigens für dieses Quartier erlassenen Zonenänderungen, eine Historikerin und Architekturtheoretikerin übt Kritik am unreflektierten Bauwillen der eigenen Disziplin, Stadtforscher, Soziologinnen, Architektinnen, Anwohner, Künstler, Anwälte, Sozialgeografen und Journalisten vermitteln eine thematische Vielstimmigkeit. Nunmehr schafft das Werk eine Öffentlichkeit durch den etablierten öffentlichen Dialog, der nicht auf Konsens, sondern auf konstruktivem Dissens beruht, indem verschiedene Meinungen und Interessen aufeinanderprallen. Die Debatten werfen einen kritischen Blick auf die Immobiliengesellschaften, die Stadtplanung aus eigenen renditeorientierten Interessen heraus betreiben. Die Texte fragen nach der Rolle der Stadt, die naiv komplizenhaft diese Bauprojekte mit angepassten Reglementen fördert, für die infrastrukturelle Erschliessung des Gebiets aufkommt und es dabei unterlässt, für eine Stadt für alle einzustehen.
Stadt im Interesse der Planung
Bereits in La Brique Ordinaire (2014) thematisierten Meier & Franz Immobilien-spekulation durch die Schweizerische Bundesbahn (SBB), die auf freigewordenen, ehemaligen Bahnarealen hochpreisigen Geschäfts- und Wohnraum bauen liess. Stararchitekten wurden für die prestigeträch-tigen Überbauungen an zentralen innenstädtischen Lagen unmittelbar bei den Hauptbahnhöfen von Pont-Rouge in Genf bis zur Europaallee in Zürich aufgeboten, Nutzfläche für eine zahlungskräftige Klientel bereitzustellen. Die öffentlich-rechtliche Bundesbahn als eine der grössten Immobilienbesitzerinnen der Schweiz fördert durch ihre gewinnmaximierte Vermietungs- und ihre städtebauliche Überbauungspolitik die innerstädtische Gentrifizierung.
Dazu angeregt, sich mit grossen stadtplanerischen Konzepten zu beschäftigen, wurden Meier & Franz durch Cuno Amiets Bild Häuserblock in Paris, Porte de Chântillon, Boulevard Brune (1936), das anlässlich einer Einladung für eine Ausstellung im Aargauer Kunsthaus ihre Aufmerksamkeit weckte. Der rechercheintensiven, themengetrieben künstlerischen Praxis folgend, machten die Künstler sich in Paris auf die Suche nach dem ehemaligen Atelier Amiets am Boulevard Brune, welcher als Teil des Ceinture Rouge die heutige Innenstadt von Paris umschliesst. Als Ceinture Rouge wird ein fast durchgehender Ring von Gebäuden bezeichnet der von Mitte der 1920er bis Mitte der 1930er Jahre über der ehemaligen Enceinte de Thiers errichtet wurde. Der Staat stellte dabei das Land für die Stadt zur Verfügung – die ehemaligen Stadtgräben – und dieser setzte dank seines neu geschaffenen Wohnungsamtes soziale Wohnungsbau-programme möglichst gewinnbringend um. Gebaut im epochalen Stil des späten 19. Jahrhunderts prägten Backsteinhäuser die neuen Boulevards. Stilbücher mit Muster-vorlagen für die rhythmisierte Anordnung von Ziegelsteinen für dekorative Fassadenfronten wurden unter dem Titel La Brique Ordinaire zu Standardwerken für den Ziegelbau.
Für die künstlerische Umsetzung ihres gleichnamigen Werks übernahmen Meier & Franz Titel und den Ziegelstein, der zu einem Inbegriff der staatlich aufoktroyierten Pariser Siedlungsstruktur wurde und bauten damit die Stahl-Glas Fassaden der SBB Bauten als übereinandergestapelte Maquetten nach. Der als Verweis eingesetzte Ziegelstein schafft die Parallele von der aktuellen grossflächigen Überbauung von Innenstadtflächen zur historischen in Paris, die neben nobleren Klassen auch migrantische Arbeiterschichten berücksichtigte. Verkleinert und mit profanem Ziegel nachgebaut, verlieren die uniformen Fassaden ihre modernistische Eleganz. Auch auf diese institutionell gezeigte Arbeit folgte eine gleichnamige Publikation, welche die im Werk gemachten Verweise mit Kontextinformationen unterlegt. (3) Die beiden einzigen farbigen Abbildungen auf den Umschlaginnenseiten– das Gemälde von Cuno Amiet eingangs und La Brique Ordinaire ausgangs – bilden die Klammer, innerhalb derer die Recherchenreise nachvollzogen werden kann: Vom Inventurblatt des Gemäldes, Ansichten des Ateliers von Amiet in Paris, über historische Stadtpläne und Architekturentwürfe für die Überbauung des Befestigungsring, zu aktuellen Strassenansichten von Paris und Maquetten für Ziegelsteinmauern. In der grafischen Aufmachung des Schweizer Kursbuches sind die Eckwerte der SBB Überbauungen wie Investoren, Mietwohnungsanteil und Investitionsvolumen aufgeführt gefolgt von den Renderings der Immobilien. (4)
Demografische Korrektive mittels gezielter Stadtplanung anzugehen, war auch in der Stadt Bern Ende des 19. Jahrhunderts ein probates Mittel. Als Gegenleistung zum Erhalt günstigen Baulands auf der gegenüberliegenden Seite der Altstadt bot ein englischer Investor an, die teure Hochbrücke zur Erschliessung des Kirchenfelds zu bauen. Strenge Bauvorschriften sorgten dafür, dass das neue englische Quartier auf der ehemaligen Landwirtschaftsfläche, das nach Erstellung und Erschliessung als Spekulationsobjekt wiederverkauft werden sollte, einer finanzkräftigen Bevölkerung zukam. Noch heute weist die Bevölkerung dieses Stadtteils das höchste Einkommen aus und gilt als das am wenigsten durchmischte. Für die Ausstellung Die hilfreiche Hand (2019) im Grands Palais, einem Kunstraum in diesem Quartier, liess das Künstlerduo als Hinweis auf den früheren Acker eine leuchtende, offene Hand aus Neonröhren durch einen Generator betreiben, der mit Kartoffelethanol betankt wurde.
Beziehungsweisendes Netzwerk
Die ortsspezifische Auseinandersetzung mit der Geschichte und ihrer stadträumlichen Ausprägung charakterisiert die Vorgehensweise von Michael Meier & Christoph Franz. Dabei befragen sie vorherrschende gesellschaftliche Strukturen, recherchieren nach architektonischen Brüchen, informieren sich über Immobilienbesitz und dominierende Wirtschaftszweige, sie durchstöbern Archive und Datenbanken, suchen nach potenziellen Informanten, sprechen mit Akteurinnen und versuchen wenig bekannte Tatsachen und verborgene Verbindungen zu beleuchten. Sie zeigen Netzwerke und Machenschaften auf, die schon vorher bestanden, der Öffentlichkeit aber kaum bekannt sind und verweisen anhand von konkreten, präzis aufgearbeiteten kontextspezifischen Beispielen auf Praktiken, die andernorts oder in früheren Zeiten fast identisch stattgefunden haben. Ihre künstlerische Praxis schliesst damit an die politische Konzeptkunst an, wie sie unter anderem von Hans Haacke etabliert wurde. (5)
Daran erinnert auch die Arbeit Für Treu und Glauben (2020). Ausgehend von einem scheinbar zufälligen, durchschnittlichen Wohnblock in Zürich suchten Meier & Franz nach den Verbindungen der Immobilie in die Politik. Auf der mittleren Scheibe eines dreifachen Verbundglases – baugleich wie im Wohnblock verbaut – wurde das Beziehungsnetz aller an diesem Bau beteiligter Personen als Diagramm eingraviert, wobei nur auf Information zurückgegriffen wurde, die öffentlich zugänglich ist. Schon bald fanden sich Verstrickungen ins Bundesparlament, denn mehr als die Hälfte der bürgerlichen Politiker sitzen als Verwaltungsräte in grossen Immobilienfirmen, vertreten Eigentümerverbände oder sind verbandelt mit Pensionskassen. Das genossenschaftliche Wohnen fristet in der Schweiz ein Mauerblümchendasein. Dafür investieren professionelle, börsenkotierte Immobilienfirmen zunehmend im stark umkämpften und hoch dotierten Markt. Die renditeorientierten Interessen der Immobilienlobby im Parlament vertretend, bekämpfen sie Mieterschutz und Forderungen nach Kostenmiete.
Diskurs im Werk einschreiben
Die beiden jüngsten Arbeiten Es kommt mit der Zeit und Zwischen Anlagen Anderer (beide 2021) führen konsequent weiter, was in den früheren Arbeiten zur Thematik der städtischen Transformation angelegt ist und gehen darüber hinaus. Zwar adressieren alle Arbeiten mit ihrer neoliberalisierungs- und spekulationskritischen Perspektive eine breite Wohnbevölkerung, die einen Anspruch auf Mitbestimmung und Repräsentation in der Stadt hat, wurden aber bisher mitunter im institutionellen Rahmen präsentiert. Verstärkt werden die Arbeiten im eigentlichen öffentlichen Stadtraum gezeigt und integriert und greifen in den Kontext mit der betroffenen Bevölkerung ein. Zudem wurde die inhaltliche Auseinandersetzung, die auf der intensiven thematischen Recherche beruht, konsequent mit dem Werk verwoben und nicht in eine nachfolgende Publikation ausgelagert. Zeitungen, verteilt im Quartier und Druckbögen als Teil der Installation, begleiten und kontextualisieren die jüngsten Arbeiten. Dies mag sowohl einer länger dauernden Projektzeit geschuldet sein, als auch der Intention, Werk und Publikation nicht in gegenseitige Konkurrenz zu bringen.
Der Titel Es kommt mit der Zeit kann durchaus als Warnung verstanden werden. Eingeladen wurden Meier & Franz von der Kommission Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Bern, um ausgehend vom künftigen Wohnbauprojekt der Wohnbaugenossenschaft Warmbächli eine Arbeit für den öffentlichen Raum zu realisieren. Auf der Fläche der ehemaligen Kerichtverwertungsanlage entsteht die neue Wohnsiedlung Holliger mit insgesamt 350 Wohnungen, unterteilt auf sechs Wohngenossenschaften. Mit ihrer Mischung aus Wohn- und Arbeitsnutzung verspricht die Überbauung Holliger in der Selbstzuschreibung nicht nur attraktive Wohnflächen auf dem Warmbächli-Areal zu schaffen, sondern damit auch gleich das umliegende Quartier aufzuwerten. (6)
Sicher ist, dass die rund 800 neuen Bewohnerinnen und Bewohner das sozial durchmischte und über einen hohen Anteil an ausländischer Bevölkerung verfügende Quartier stark verdichten und demografisch verändern werden. Auch wenn die ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltige Wohnbaugenossenschaft Warmbächli als alleinige Gruppierung auf bestehender Bausubstanz weiterbaut, bleibt sie als Teil der Überbauung Mittreiberin dieser Veränderung. (7) Der durch die Überbauung ausgelöste Wandel manifestiert sich nicht schlagartig, sondern lagert sich, wie der Titel der Arbeit suggeriert, etappenweise im Quartier ab. Die Veränderung und Beeinflussung geht nicht nur von der Neuüberbauung in Richtung Quartier aus, sondern verhält sich durchaus reziprok. Das Wiederverwenden der Betongrundstruktur des ehemaligen Lagergebäudes und das Umnutzen zu einer Immobilie mit Wohn- und Gewerberäumen ist nicht ökonomischen Argumenten geschuldet. Es rechnet sich nicht, Bestehendes zu erhalten und künftige Wohnnutzung an bestehende industrielle Grössen und Dimensionen anzupassen. Die Gründe sind vielmehr nachhaltiger, ökologischer und ethischer Natur. Das Wiederverwenden von Beton spart eine grosse Menge CO2 ein und das weitgehende Erhalten von Strukturen fusst auf dem Verständnis, ein architektonisches Erbe und eine Geschichte im Quartier zu erhalten statt zu eliminieren. Um die nackten Betongeschossflächen unbeschadet zu erhalten, nachdem Fassade, Isolationen und gemauerte Unterteilungen entfernt wurden, stützten eingeklemmte, rohe Baumstämme das Gerippe. Dieses Holz, das gewissermassen das Instrument zum Erhalten von Bausubstanz und Erinnerung war, diente den Künstlern als Ausgangsmaterial, das sie als metaphorische Brücke bestimmten und im folgenden Transformationsprozess verwendeten. Mit dem Holz zimmerten Meier & Franz Duplikate von drei Haustüren, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Wohnsiedlung und in öffentlichem, halbprivatem und privatem Besitz befinden. Nur mit einem Wachs behandelt, leuchten die neuen Türen in den alten Fassaden, markieren das Eintreffen der neuen Überbauung und nehmen künstlerisch eine Entwicklung vorweg, die mit der Fertigstellung der Siedlung folgen wird.
Beinahe als Gegenmodell des genossenschaftlichen Bauens, das, ausgehend von den Bedürfnissen und Ansprüchen ihrer Bewohnenden, Wohnraum definiert, liegt das oberste Interesse der Produzenten der Vorsorgewohnungen in einem minimalen Kapitaleinsatz für die Erstellung der Immobilie. Dieses Wiener Geschäftsmodell führt dazu, dass Wohnungen nicht nach dem Nutzwert, sondern vielfach möglichst kostengünstig und nahe an der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestnutzfläche von 30 Quadratmetern geplant werden. Von der Immobilienwirtschaft als Finanzprodukt für Investoren und Kleinanleger konzipiert, entstehen Wohnprojekte, die bisweilen das ortssensible und angepasste Bauen für Menschen, vermissen lassen. Michael Meier & Christoph Franz bedienen sich im Werk Zwischen den Anlagen Anderer (2021) eines Grundrisses einer typischen Vorsorgewohnung und bauen diesen mit Ziegelsteinen, welche aus dem Bauschutt lokaler Baustellen stammen nach. Vor realer Kulisse, entsteht eine Aussichtsplattform auf Vorsorgeüberbauungen welche mit ihrem Fassadeneklektizismus die Beliebigkeit dieser Anlageobjekte widerspiegelt. Die Druckplatten der Publikation schaffen den Boden der Plattform, die sich durch die gesetzliche Mindestgrundfläche von Wohneinheiten selbst in ihrem Umfang limitiert. Dieser Boden bildet die thematische Grundlage der Auseinandersetzung mit volkswirtschaftlich fehlgesteuerter Altersabsicherung ab, die als Finanzsparinstrument die Immobilienspekulation antreibt und trägt den kritischen Diskurs in die von den Vorsorgeimmobilien betroffene Bevölkerung. Das Objekt wird inhaltlich und funktional zum Bollwerk gegen die von den Bedürfnissen der Stadtbevölkerung entmenschlichten Objekte der Immobilienspekulationen. Dadurch, dass die Arbeit am Ort des Geschehens inmitten von Neubauten platziert wird, die durch diese Finanzkonstrukte kapitalisiert worden sind, nähert sie sich der politischen Manifestation und die Arbeitsweise des Duos dem politischen und sozialen Aktivismus.
Franz Krähenbühl, 2021
1 Der Druchschnitt als Norm, Hg, Michael Meier, Christoph Franz, Leipzig: Spector Books, 2018.
2 Der Begriff Nagelhaus wurde in China für Häuser geprägt, deren Besitzer und Bewohner sich weigerten, ihre Immobilie zu veräussern, um Grossüberbauungen oder Autobahnen Platz zu machen. Typische Bilder von einfachen Häusern, deren Gärten bereits tief abgegraben oder unmittelbar von einer Strasse umfasst wurden, kursierten in den Medien weltweit und wurde zum Sinnbild und Namensgeber für das widerständige Haus in Zürich. Vgl. «Diese ‘Nagelhäuser’ erzählen vom Widerstand» in: Die Zeit, 21.04.2015.
3 La Brique Ordinaire, Hg, Michael Meier, Christoph Franz, Zürich: Edition Fink, 2015.
4 Das Schweizer Kursbuch war der jährlich neu aufgelegte Fahrplan sämtlicher Bahn-, Schiffahrts- und Seilbahnverbindungen des schweizerischen öffentlichen Verkehrs mit einer sehr reduzierten funktionalen Grafik.
5 Der deutsche Künstler Hans Haacke (*1936 Köln) legte in der aufwendig recherchierten, vielteiligen Arbeit Shapolsky et al. Manhattan Real Estate Holdings, A Real Time Social System, as of May 1, 1971 die Wirtschafts-, Finanz- und Interessensverbindungen einzelner Mitglieder des Beirats des Solomon R. Guggenheim Museum in New York offen und machte damit ihre Immobilienspekulation publik. Das kritische Werk verleitete den Direktor des Museums dazu, die 1971 geplante Ausstellung unter zweifelhaften Gründen abzusagen.
6 Unter dem Subtitel «Wo neuer Lebensraum entsteht» findet eine interessante Verschiebung der Perspektive statt. Wo nach der Kehrichtverbrennungsanlage eine Brachfläche die Siedlungslücke markierte, wird vom künftigen Zentrum gesprochen zu welchem die bereits bestehenden Infrastrukturen peripher liegen.
7 Gut Leben. Wohnen und Arbeiten im Warmbächli, Projektdokumentation, Wohnbaugenossenschaft Warmbächli, 2017.
Dieser Text ist erschienen in Hier kommt der Investor..., Hg, Anita Aigner, Wien: Schlebrügge.Editor, 2021.